"Ein Jahrhundert nach der Arabischen Revolte"
Nach dem Ersten Weltkrieg, der von 1914 bis 1918 dauerte, führte die „Arabische Revolte“ von 1916 gegen das Osmanische Reich zu großem Wandel in der arabischen Welt. Die Araber erhofften sich von ihrer Revolte eine Selbstständigkeit und Unabhängigkeit von der osmanischen Herrschaft. Doch die Realität sah anders aus: Statt der erhofften Freiheit erlitten die arabischen Völker eine koloniale Zerstückelung durch imperialistische Mächte, insbesondere Großbritannien und Frankreich.
Der Vertrag von Sèvres, der 1920 unterzeichnet wurde, legte die Grundlagen für diese Neuordnung. Er sah die Aufteilung des Osmanischen Reiches vor und teilte die Gebiete des Nahen Ostens in verschiedene Mandatsgebiete auf. Während sich die Araber nach Unabhängigkeit sehnten, nutzten die Kolonialmächte diese Umstände aus, um die Kontrolle über strategisch wichtige Regionen zu sichern.
Vor allem die britische und französische Politik in der Region hatte langfristige Folgen. Während die Briten das Mandat für Palästina und Mesopotamien übernahmen, sicherten sich die Franzosen die Kontrolle über Syrien und Libanon. Diese Aufteilung führte zu einer Vielzahl ethnischer und religiöser Spannungen, die bis heute in vielen Konflikten in der Region münden.
Ein zentraler Aspekt dieser kolonialen Zerstückelung war das Fehlen eines einheitlichen arabischen Nationalstaates. Stattdessen wurden nationale Grenzen oft willkürlich gezogen, ohne die kulturellen und ethnischen Gegebenheiten vor Ort zu berücksichtigen. Dies führte zu Spannungen zwischen verschiedenen Gruppen wie den Sunniten, Schiiten, Kurden und anderen ethnischen Minderheiten.
Ein weiteres bedeutendes Datum in dieser Geschichte ist die Erklärung von Balford von 1917, die die Unterstützung Großbritanniens für die Gründung einer „jüdischen Heimat“ in Palästina zum Ausdruck brachte. Diese Entscheidung mobilisierte nicht nur die jüdische Diaspora, sondern führte auch zu wachsenden Spannungen zwischen der arabischen und der jüdischen Bevölkerung in der Region. Diese Konflikte führen bis in die Gegenwart und prägen den Nahostkonflikt bis heute.
Die Auswirkungen der kolonialen Teilung sind in den aktuellen politischen und sozialen Konflikten in vielen arabischen Ländern deutlich spürbar. Die fragile politische Stabilität, die autoritären Regime und die anhaltenden Konflikte sind direkte Erbe der künstlich geschaffenen Nationalstaaten nach dem Ersten Weltkrieg. Die Unfähigkeit der ehemaligen Kolonialmächte, eine nachhaltige und faire politische Ordnung im Nahen Osten zu schaffen, führte zu einer Welle von Protesten und Revolutionen in den letzten Jahrzehnten, wie dem Arabischen Frühling von 2011.
In der heutigen Zeit wird deutlich, dass die kolonialen Strukturen und Machtverhältnisse, die vor einem Jahrhundert etabliert wurden, weiterhin nachwirken. Die Konflikte im Irak, in Syrien, Libyen und im Jemen sind tief verwurzelt in den historischen Begebenheiten der britischen und französischen Kolonialpolitik. Deshalb ist es unabdingbar, die Geschichte und ihre Konsequenzen zu verstehen, um die gegenwärtigen Konflikte im Nahen Osten besser nachvollziehen zu können.